
An einer chronisch verlaufenden Krankheit zu leiden, wünscht sich niemand. Wenn es einen selbst oder nahe Angehörige aber doch betrifft, möchte man selbstverständlich die bestmögliche Versorgung in Anspruch nehmen können.
Das gilt für Erkrankungen aller medizinischen Fachrichtungen und insbesondere in einem Land wie Deutschland sollte das kein Problem darstellen, sollte man meinen. Das dies nicht in jedem Fall so ist, zeigt eindrücklich die gegenwärtige Situation der rheumatologisch-fachärztlichen Versorgung in Deutschland, speziell in Thüringen - und das auf eine Art und Weise, die bereits 2017 prekär war und bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.
Etwa 1,5 bis 2,1 Millionen Menschen, sprich ca. 2,2 bis 3 % der erwachsenen Bevölkerung sowie zusätzlich ca. 20.000 bis 30.000 Kinder, leiden in Deutschland an einer Erkrankung aus dem entzündlich-rheumatischen Formenkreis. Das Lebenszeitrisiko generell an solch einem oft komplexen Krankheitsbild zu erkranken, liegt bei Frauen bei ca. 8%, bei Männern bei ca. 5%. Aufgrund der oft unspezifischen oder initial teils nur gering ausgeprägten Symptome vergeht im Schnitt meist über ein Jahr, bis eine spezifisch rheumatische Erkrankung fachärztlich vorgestellt und so mitunter erst diagnostiziert wird und eine adäquate Therapie eingeleitet werden kann. Voraussetzung dafür ist die zeitnahe spezialfachärztliche Vorstellung bei einem Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie. Dies kann sowohl ambulant als auch teilstationär oder stationär, wie zum Beispiel in Thüringen im Rheumazentrum in Weißen erfolgen.
Einen Termin zur Erstvorstellung oder auch zur fachärztlichen Anbindung nach einem erfolgten stationären Aufenthalt zu erhalten, gestaltet sich angesichts der gegenwärtigen Versorgungslage schwierig. Bereits 2017 konstatierte die Dt. Gesellschaft für Rheumatologie in einem Memorandum die Diskrepanz zwischen Bedarf und Vorhandensein entsprechend ausgebildeter Fachärzte sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor. So standen einem errechneten Bedarf von 1350 in Vollzeit tätigen internistischen Rheumatologen in Deutschland, um eine bedarfsgerechte Minimalversorgung zu gewährleisten, tatsächlich nur 776 gegenüber, 2020 sogar nur 682. Im stationären Sektor ergibt sich ein Bedarf von ca. 5 rheumatologisch belegbaren und versorgten Betten pro 100.000 Einwohnern. Das entspricht in Thüringen einem Bedarf von 93 Betten. Demgegenüber standen 2017 nur 70 vorhandene.
Eine erschreckende Situation, insbesondere, wenn man bedenkt, dass durch frühzeitige Diagnostik und Therapie Folgeschäden wie langfristig irreparable Gelenkdestruktionen, Behinderungen und Lebenszeit limitierende Organschäden verhindert werden und damit langfristig auch Folgekosten für das Gesundheitssystem minimiert werden könnten.
Eine Situation, die Patienten auch spüren. Täglich stellt sich im stationären Setting die Frage der weiteren ambulanten Anbindung der Patienten nach erfolgtem stationären Aufenthalt oder einer Rehabilitationsmaßnahme. Das Rheumazentrum der Klinik an der Weißenburg bietet in dieser Hinsicht als einziges Fachkrankenhaus für Rheumatologie in Thüringen vielfältig Hilfe. Neben der akutstationären Versorgung von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen mit 42 Betten und der Möglichkeit der multimodalen rheumatologischen Komplexbehandlung bietet die Schmerztherapie Hilfe bei begleitenden chronischen Schmerzsyndromen und eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme ist ebenfalls im Haus möglich. Zusätzlich besteht mit der Ermächtigungsambulanz die Möglichkeit, einige der stationären Patienten am eigenen Haus weiterbetreuen zu können. Mit 700 Fällen pro Quartal sind diese Möglichkeiten allerdings deutlich begrenzt und der Bedarf übersteigt bei Weitem die Kapazitäten.
Das diese Versorgungslage durchaus ein gesamtdeutsches Problem darstellt, sich aber insbesondere in den neuen Bundesländern ein die vorhandenen Ressourcen übersteigender Bedarf zeigt, macht ein Blick auf die Verteilung der rheumatologischen Praxen und Kliniken mit akutstationärer Versorgung deutlich. Bereits 2017 definierte die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie in ihrem Memorandum die Notwendigkeit von zusätzlich 24 in Vollzeit tätigen Rheumatologen allein in Thüringen. Das entsprach einem Defizit in der fachärztlich-rheumatologischen Versorgung von 64,9% in Thüringen gegenüber einem Mangel von 53,8% im gesamtdeutschen Durchschnitt.
Vor dem Hintergrund weiterer in den kommenden Jahren aufgrund des Alters ausscheidender Kollegen wird sich der schon bestehende Engpass noch verschärfen. So steht immer besseren und vielfältigeren medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten für Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und somit insgesamt deutlich verbesserter Lebensqualität Betroffener ein immer größeres Defizit an Zugangsmöglichkeiten zu qualifizierter und rascher Versorgung gegenüber.
Um dem entgegenzuwirken, hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie 2021 die Kampagne #rheuma 2025 ins Leben gerufen, mit dem Ziel, bis 2023 800 weitere Rheumatologen auszubilden. Die derzeitige Entwicklung durch Ausweitung universitärer Lehrstühle für Rheumatologie, bereits im Medizinstudium umfänglicher Lehre des Fachgebietes, spezifischer Förderung von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Änderung des fachärztlichen Budgets aufzuhalten, bleibt eine Herausforderung von Gegenwart und Zukunft.
Dr. med. Julia Fritzsch, FÄ für Innere Medizin
CÄ Dr. med. Sylke Schneider (MBA), FÄ für Innere Medizin und FÄ für Rheumatologie
Quellen:
Krankenhausspiegel Thüringen
Memorandum der DGRh 2017
Zahlen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen in Deutschland steigen
Zugang zu rheumatologischer Versorgung verbessern: Früherkennung als Schlüssel zum Behandlungserfolg
Rheuma2025 - Forderungen und Ziele